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Krankheiten: Morbus Crohn |
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Klassifikation nach ICD-10 | |
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K50.- | Crohn-Krankheit [Enteritis regionalis] [Morbus Crohn] |
K50.0 | Crohn-Krankheit des Dünndarmes I5642 |
K50.1 | Crohn-Krankheit des Dickdarmes I5646 |
K50.8 | Sonstige Crohn-Krankheit |
K50.9 | Crohn-Krankheit, nicht näher bezeichnet |
ICD-10 online (WHO-Version 2006) |
Der Morbus Crohn gehört zur Gruppe der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Es handelt sich um eine chronisch-granulomatöse Entzündung, die im gesamten Magen-Darm-Trakt von der Mundhöhle bis zum After auftreten kann. Bevorzugt befallen sind der untere Dünndarm (terminales Ileum, Befall in zirka 40 %) und Grimmdarm (Colon), seltener Speiseröhre (Ösophagus) und Mund. Charakterisierend für Morbus Crohn ist der diskontinuierliche, segmentale Befall (sog. skip lesions) der Darmschleimhaut, es können also gleichzeitig mehrere Darmabschnitte erkrankt sein, die durch gesunde Abschnitte voneinander getrennt sind.
Das Krankheitsbild wurde zweimal unabhängig voneinander beschrieben, 1904 vom polnischen Chirurgen Antoni LeÅ›niowski (1867-1940) und 1932 vom amerikanischen Magen- und Darmspezialisten Burrill Bernard Crohn (1884-1983), nach dem die Krankheit benannt wurde. Andere Bezeichnungen für die Krankheit sind Enteritis regionalis Crohn, Ileitis terminalis, Enterocolitis regionalis und sklerosierende chronische Enteritis, bzw. die Abkürzungen MC, CD (Crohn's Disease) und zusammen mit der Colitis ulcerosa als CED (Chronisch entzündliche Darmerkrankung, engl. IBD: inflammatory bowel disease).
In den westlichen Industriestaaten liegt die jährliche Anzahl von Neuerkrankungen von M. Crohn bei etwa 8 auf 100.000 Einwohner, die Prävalenz (der Bestand an Erkrankten) bei etwa 150 auf 100.000[1]. Die Zahl der Erkrankungen nimmt in den letzten 20 Jahren zu. Beide Geschlechter sind gleich häufig betroffen, meist erkranken junge Erwachsene zwischen dem 16. und 35. Lebensjahr sowie ältere Menschen ab einem Alter von 60. Man beobachtet sowohl eine familiäre Häufung als auch eine ethnische. Hellhäutige Menschen erkranken etwa doppelt so oft wie dunkelhäutige.
Die Ätiologie und Pathogenese des Morbus Crohn sind nicht geklärt. Burill B. Crohn hielt den M. Crohn für eine durch intrazelluläre Bakterien oder Viren ausgelöste Erkrankung. Dies konnte bis heute nicht bewiesen werden. Es sind aber eine Reihe von Konditionen bekannt, die bei der Entstehung der Erkrankung von Bedeutung sind.
Morbus Crohn wird als Autoimmunerkrankung der Darmschleimhaut klassifiziert. Das Hauptargument für diese Einteilung ist das gute Ansprechen der Krankheit auf das Immunsystem hemmende Medikamente wie Cortison und Azathioprin und vor allem der fehlende Nachweis eines spezifischen Erregers. Wie bei allen anderen Autoimmunerkrankungen ist die Ursache nicht bekannt. Da keine spezifische Ursache bekannt ist, kann die Therapie nicht kausal erfolgen, sondern muss symptomatisch oder immunmodulierend erfolgen.
Als Autoantikörper wurden bei Morbus Crohn perinukleäre anti-neutrophile cytoplasmatische Antikörper (p-ANCA) serologisch identifiziert. Circa 20% der Crohnpatienten besitzen diese Autoantikörper, was die Diagnose im Zweifelsfall erleichtert.
Das Risiko der Entwicklung eines Morbus Crohn ist bei Rauchern doppelt so hoch wie bei Nichtrauchern. Eine Beendigung des Rauchens wirkt sich in der Regel günstig auf den Krankheitsverlauf oder auf die Rezidivrate nach einer Operation aus.[2]
Es besteht möglicherweise eine erbliche Veranlagung für die Krankheit. Mittlerweile wurden mehrere Erbfaktoren entdeckt, deren Nachweis das Risiko für die Krankheit erhöhen. Gene, die ursächlich mit Morbus Crohn in Verbindung gebracht werden sind NOD2 (nach neuer Nomenklatur: CARD15), IL23R (Chromosom 1p31) [3], ATG16L1, DLG5 und NELL1 (Chromosom 11p15.1) [4]. Ein Faktor scheint die verminderte Anzahl an Genabschnitten zu sein, die für die Produktion von beta-Defensinen verantwortlich sind. Defensine sind eine Art natürliches Antibiotikum, das in Schleimhäuten zur Abwehr von Bakterien vorkommt. Menschen mit Morbus Crohn im Dickdarm haben 3 Defensin produzierende Genabschnitte am Chromosom Nr. 8 während gesunde Menschen im allgemeinen 4 davon tragen. Dementsprechend ist auch ihr Defensin-Spiegel in der Schleimhaut höher. Für den wesentlich häufigeren Morbus Crohn im Dünndarm gibt es diesen Zusammenhang allerdings nicht.
Vieles deutet daraufhin, dass zumindest bei einem Teil der Morbus-Crohn-Patienten die Barriere zwischen dem Darmlumen und dem Organismus defekt ist. Konkrete Hinweise auf diesen Barrieredefekt zeigen sich z. B. im Mangel an anti-infektiv wirksamen Peptiden (Defensinen) im Mucus (Schleim), der der Darmschleimhaut aufgelagert ist. Zudem sind häufig die abdichtenden Verbindungen zwischen der Epithelzellen der Darmschleimhaut undicht, d. h. nicht mehr funktionell und in ihrer Zahl vermindert. Ob der kontrollierte Zelltod (Apoptose) vieler Epithelzellen ein primäres oder sekundäres Phänomen ist und damit dem Krankheitsbild ursächlich zugrunde liegt, oder nur zur Chronifizierung der Entzündung beiträgt, ist unklar. Durch den Defekt der Barrierefunktion gelangen - im Gegensatz zur Situation beim Gesunden - Bakterien der normalen Darmflora in grosser Zahl direkt auf das Epithel der Darmschleimhaut und dringen teilweise auch in die Darmwand ein, wo sie dann an sich regelrechte Entzündungen auslösen, die die Barriere noch weiter schädigen, sodass im Sinne eines Teufelskreises weitere Bakterien der Darmflora in die Darmwand eindringen und die Entzündung weiter anfachen. Der primäre Defekt der Barrierestörung kann zumindest teilweise genetisch bedingt sein. So ist die Produktion bestimmter alpha-Defensine bei Morbus-Crohn-Patienten mit für Morbus Crohn charakteristischen Mutationen in einem Gen (NOD2/CARD15), welches einen intrazellulären Sensor für bakterielle Strukturen codiert, gegenüber Morbus-Crohn-Patienten ohne diesen Gendefekt noch stärker vermindert, obwohl die Defensinproduktion auch bei Morbus-Crohn-Patienten ohne diesen Gendefekt bereits drastisch gegenüber Gesunden reduziert ist. Dieses gilt für den Dünndarmbefall, bei Lokalisation im Dickdarm ist offenbar die Zahl der beta-Defensin-Gene und dementsprechend die beta-Defensinsynthese vermindert. Somit erklären die verschiedenen Defensindefekte die unterschiedlichen Lokalisationen der Erkrankung.
Welche Faktoren der Umwelt zur verbreiteten Entwicklung des Morbus Crohn in Gesellschaften mit hohem hygienischem Standard führen, ist unklar. Möglicherweise führt ein Befall mit bestimmten Parasiten beispielsweise Würmern zu einer spezifischen Modulation der Immunantwort, die verhindert, dass die Entzündungsreaktion chronisch wiederkehrt. Auch andere Hypothesen, wie die Schädigung der Darmbarriere durch die zunehmende Exposition gegenüber Detergentien wie Seifen, Weichmachern oder Emulgatoren, könnte dazu beitragen, die Barrierefunktion der Darmwand zu schädigen und so dem Eindringen von Bakterien der normalen Darmflora Vorschub zu leisten. Wahrscheinlich sekundär ist, dass die Darmflora bei Morbus-Crohn-Patienten verändert ist: Im Vergleich zu Gesunden findet man eine deutliche Reduktion der Anzahl verschiedener Bakterienspezies.
Früher vermutete Zusammenhänge mit einer spezifischen Ernährung, wie etwa vermehrter Gebrauch von raffinierten Zuckersorten bei MC-Patienten, werden heute als sekundär erachtet, da viele Morbus-Crohn-Patienten aufgrund der Entzündungen im Dünndarm eine generell verminderte Resorption und damit eine schlechtere Nahrungsverwertung aufweisen.
Es ist bekannt, dass emotionale Belastungen Veränderungen der Darmfunktionen und abdominelle Beschwerden wie Bauchschmerzen und Durchfälle auslösen oder verstärken können. Psychosozialer Stress kann zur Symptomauslösung oder -verstärkung führen. Es wird vermutet, dass bei den CED psychosozialer Stress auch zu einer Fehlregulation der Immunantwort und - bei entsprechender Veranlagung - zur Krankheitsaktivierung führen kann. Stress kann bei Morbus-Crohn-Patienten zum Auftreten erneuter Entzündungen führen.
Es gibt einige Indizien, dass am Krankheitsverlauf Bakterien oder Viren, namentlich das Mycobacterium paratuberculosis (MAP), beteiligt sind. Bei vielen Crohn-Patienten kann MAP nachgewiesen werden. MAP löst bei Rindern und anderen Tieren ebenfalls eine chronische Darmentzündung, die Paratuberkulose aus. Das Mycobakterium avium paratuberculosis induziert beim Menschen spezifische Antikörper. Diese Antikörper werden im Blut von bis zu zwei Dritteln aller Morbus Crohn Patienten gefunden. Zur Zeit laufen Untersuchungen, ob Crohn-Patienten erfolgreich mit einer Antibiotikakombination behandelt werden können [5].Es gibt Studien, die das Auftreten von Morbus Crohn mit der durch die Einführung des Kühlschranks verbundenen unbemerkten Vermehrung von psychrotoleranten (kältetoleranten) Bakterien wie Yersinia enterocolitica in gekühlten Lebensmitteln korrelieren [6].
Morbus Crohn beginnt meist beim jungen Erwachsenen mit Müdigkeit, Schmerzen im rechten Unterbauch und (meist unblutigen) Durchfällen. Ebenfalls können unklares Fieber, starker Gewichtsverlust, Übelkeit und Erbrechen entstehen. Eine Manifestation der Erkrankung ohne Durchfall ist auch möglich. Schubweise auch mit Fieber, einem Anstieg der weissen Blutkörperchen und einer Anämie (Abnahme des roten Blutfarbstoffes). Bei vielen Patienten jedoch ist die Art und das Empfinden der Symptome unterschiedlich. Es kann beispielsweise zu Beginn und im Verlauf einer Entzündungsphase (einem so genannten Schub) zu Appetitlosigkeit, Schmerzen oder Krämpfen im gesamten Unterbauch und Oberbauch kommen. Auch wird von Betroffenen schmetterlingsartiges Kribbeln beschrieben, das nach einem Toilettengang verschwindet.
Bei bis zu 50 Prozent der Morbus-Crohn-Patienten treten zudem extraintestinale Manifestationen auf. Am häufigsten sind hierbei die Gelenke betroffen; es kann zu Arthralgien bzw. Arthritiden kommen. Im Rahmen des Morbus Crohn sind ferner Hautveränderungen in Form des Erythema nodosums oder des Pyoderma gangraenosums möglich. Ebenso kann es zur Begünstigung einer Rosacea (Rosazea) kommen sowie zu Entzündungen des Auges (etwa als Uveitis). Die Manifestationen ausserhalb des Darmtraktes (extrainstinale Symptome) können selten auch Monate bis Jahre vor der Darm-Symptomatik auftreten. Normalerweise verschwinden die extrainstinalen Symptome, wenn der Morbus Crohn als Grunderkrankung behandelt wird. Neben der Erkrankung selbst kommen auch Nebenwirkungen der Medikation als Auslöser für extraintestinalen Manifestationen in Frage.
In Europa und Nordamerika betrifft diese Krankheit zumeist weisse Menschen und beginnt meistens zwischen 15 und 30 Jahren.
Makroskopisch sind folgende Veränderungen charakteristisch:
Histologisch (feingeweblich) erkennt man vor allem eine Häufung von Lymphozyten, (eosinophilen) Granulozyten und Histiozyten in der Biopsie des entzündeten Darmgewebes. Angrenzende Lymphknoten sind meist vergrössert. Häufig bilden sich Granulome, die sich in zwei Typen unterscheiden lassen: Epitheloidzellgranulome und Mikrogranulome (kleiner und ohne zentrale Nekrose).
Der Morbus Crohn ist manchmal schwer von der Colitis ulcerosa abzugrenzen, in manchen Fällen gelingt es gar nicht (zu den Unterschieden siehe auch die Tabelle unter chronisch-entzündliche Darmerkrankungen).
Darüber hinaus muss eine Reihe anderer Krankheiten ausgeschlossen werden, was mit Hilfe von Bildgebung (Sonografie, CT) und zusätzlichen Untersuchungen geschieht:
Um festzustellen, ob es sich um einen akuten behandlungsbedürftigen Schub handelt, wird eine Punktzahl nach dem Crohn's Disease Activity Index (CDAI) nach Best errechnet. Bei einem CDAI >150 handelt es sich um einen akuten behandlungsbedürftigen Schub.
Grundsätzlich unterscheidet man bei der Therapie des Morbus Crohn zwischen der Schubtherapie und der Remissionserhaltung. Ziel der Schubtherapie ist bei Verschlechterung, das heisst bei Vorliegen eines Schubes, die Linderung der akuten Symptome. Mit der remissionserhaltenden Therapie soll die Zahl der Schübe verringert werden, das heisst, es soll die Zeit der Remission verlängert werden. Die konservativen (Medikamente) und operativen Therapieansätze ergänzen sich dabei. Grundsätzlich versucht man, Resektionen des Darmes zu vermeiden, aber in einigen Situationen ist die Chirurgie der Inneren Medizin überlegen. Dies ist vor Allem bei Fisteln, Stenosen (narbigen Engen) und lebensgefährlichen Komplikationen der Fall.
Derzeit wird eine wissenschaftliche Debatte geführt, ob das Ziel der Therapie die Beschwerdefreiheit des Patienten oder die komplette Abwesenheit von Entzündung (so genannte Mucosal Healing) sein sollte. Befürworter des Mucosal Healing argumentieren, dass so einem Funktionsverlust des Darmes, sowohl als auch häufigen Schüben und der Entstehung von Krebserkrankungen vorgebeugt werden könnte. Beweise für diese Hypothesen stehen noch aus.
Für Diagnose und Therapie gibt es evidenzbasierte Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten im Konsens mit der deutschen Gesellschaft für Pathologie[7] und auch auf europäischer Ebene den European evidence based consensus on the diagnosis and management of Crohn's disease für die Diagnose[8], die allgemeine Therapie[9] und für Spezialfälle[10].
In der Schubtherapie unterscheidet man zwischen leicht bis mittelgradigen Schüben und mittelgradigen bis schweren Schüben. Ausserdem spielt die Lokalisation der Erkrankung gerade beim Morbus Crohn, der den gesamten Magen-Darm-Trakt befallen kann, für die Therapieentscheidung eine wichtige Rolle. Bei perianalem Befall mit Fisteln oder Abszessen kommen wieder andere Therapien zum Einsatz.
Derzeit gibt es kein Mittel, das man jedem Patienten mit Morbus Crohn empfehlen kann, und das Schübe verhindert. Während bei der Colitis ulcerosa Mesalazin gut wirksam ist, hat es beim M. Crohn nur bei operierten Patienten eine schubunterdrückende Wirkung. Patienten, die schwere Schübe haben, bei denen häufige Schübe auftreten, aber auch Patienten, bei denen beim Versuch, Kortison abzusetzen, die Krankheit immer wieder aufflammt, sollten eine remissionserhaltende Therapie bekommen. Dazu kommen derzeit zwei Medikamentengruppen in Frage
Die folgenden alternativen Therapiemöglichkeiten sind nicht wissenschaftlich belegt:
Es handelt sich um eine chronische Erkrankung mit hoher Rezidiv- oder Wiederauftrittsrate. Komplikationen machen in den meisten Fällen eine operative Therapie erforderlich, die aber auch zu keiner definitiven Heilung führt. Ob sich die Erkrankung auf die Lebenserwartung auswirkt, ist umstritten. Es existieren sowohl Untersuchungen, bei denen keine Signifikanz festgestellt werden konnte, als auch solche, die zu dem Schluss kamen, dass die Lebenserwartung durch die Erkrankung geringfügig sinkt. Wieder andere Studien ermitteln für MC-Patienten sogar eine geringfügig erhöhte Lebenserwartung. Das wird damit erklärt, dass MC-Kranke regelmässig ärztlich untersucht werden, so dass andere, potentiell gefährliche, Erkrankungen bei ihnen frühzeitig entdeckt werden. Vorausgesetzt wird hierbei immer eine adäquate Therapie.
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