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Krankheiten: Colitis ulcerosa |
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Klassifikation nach ICD-10 | |
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K51.- | Colitis ulcerosa |
K51.0 | Ulzeröse (chronische) Enterokolitis |
K51.1 | Ulzeröse (chronische) Ileokolitis |
K51.2 | Ulzeröse (chronische) Proktitis |
K51.3 | Ulzeröse (chronische) Rektosigmoiditis |
K51.4 | Pseudopolyposis des Kolons |
K51.5 | Proktokolitis der Schleimhaut |
K51.8 | Sonstige Colitis ulcerosa |
K51.9 | Colitis ulcerosa, nicht näher bezeichnet |
ICD-10 online (WHO-Version 2006) |
Die Colitis ulcerosa (Cu, engl. ulcerative colitis) gehört zur Gruppe der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Sie ist durch einen entzündlichen Befall des Mastdarms und Dickdarms gekennzeichnet. Anders als beim Morbus Crohn breitet sich die Entzündung kontinuierlich vom Mastdarm beginnend aus, also von anal nach oral, und ist auf die Darmschleimhaut (Mukosa und Submukosa) beschränkt.
Etwa 200 von 100.000 Einwohnern haben Colitis ulcerosa, wobei es drei bis sieben Neuerkrankungen pro Jahr unter 100.000 Einwohnern gibt. Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen. Das typische Erkrankungsalter liegt zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Nachdem die Krankheitshäufigkeit (Prävalenz) in Nordamerika und Europa über Jahrzehnte gestiegen ist, beginnt sie dort zu stagnieren. In Asien, Afrika und Südamerika, wo die Erkrankung früher selten war, ist allerdings ein deutlicher Anstieg der Neuerkrankungen zu bemerken.
Die Ursache der Erkrankung ist unbekannt. Ähnlich wie beim Morbus Crohn nimmt man eine genetisch prädisponierte, krankhaft gesteigerte Immunreaktion gegen die Darmflora an. Es konnten mehrere Genmutationen identifiziert werden, die mit dem Auftreten von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen in Verbindung stehen. Wie bei Morbus Crohn steht der NFκB-Transkriptionsfaktor im Verdacht, durchgängig aktiv zu sein. Umweltfaktoren wie Hygienestandard und Ernährung sollen eine ebenso wichtige Rolle spielen. Die Krankheit ist nach heutigem Wissensstand nicht psychosomatisch bedingt,[1] Stress und Belastungen können aber wesentlich zu einem schwierigen Verlauf beitragen und können aktive Schübe der Krankheit auslösen.
Klinisch stehen wiederkehrende (rezidivierende) Diarrhoen, Darmblutungen und Koliken im Vordergrund. Der Verlauf der Colitis ulcerosa ist nicht vorhersagbar. Häufig ist der Beginn schleichend. Es gibt aber auch akute Phasen und schwerste Verläufe.
Problematisch im Alltag sind oft Stuhlinkontinenz und zwanghafte (imperative) Stuhlgänge, die körperliche Schwächung an sich, sowie Begleiterkrankungen und die Nebenwirkung der verabreichten Medikamente. Starke Blähungen können im Schub zur erhöhten Stuhlfrequenz führen. Die schubabhängigen Blähungen liegen teils an einer schubbedingten Zuckerunverträglichkeit (etwa Lactose, Fructose, Sorbit).
Manifestationen ausserhalb des Verdauungsbereichs (extraintestinal):
Der akute Schub einer Colitis ulcerosa ist durch die typischen klinischen Beschwerden, das heisst blutige Diarrhoe und gegebenenfalls Tenesmen (beständiger schmerzhafter Harn- und Stuhldrang) charakterisiert. Stuhlfrequenzen von etwa 40-mal innerhalb 24 Stunden sind keine Seltenheit.
Bei einem schweren (fulminanten) Schub treten häufige blutige Durchfälle (Diarrhoe, Fieber über 38,5°C) und ein reduzierter Allgemeinzustand sowie Gewichtsabnahme auf. Zusätzlich kann es zu Herzrasen (Tachykardie) und Blutarmut (Anämie) kommen. Als weitere Komplikation ist das toxische Megakolon zu nennen. [2]
Ein chronisch aktiver Verlauf ist gekennzeichnet durch ein Fortbestehen (Persistenz) der klinischen Symptome trotz einer angemessenen medikamentösen Therapie, die zwar eine Besserung, jedoch keine vollständige und dauerhafte (weniger als zwei Rezidive, also erneute Schübe, pro Jahr) Remission bewirkt.
Häufig entwickelt sich bei chronisch aktiven Verläufen eine Abhängigkeit von Medikamenten. Nach einiger Zeit wirken sie schwächer oder können nicht unter einen bestimmten Wert dosiert werden, ohne dass sofort wieder starke Probleme auftreten. Man spricht dann von einem refraktären (nicht ansprechenden) Verlauf.
Von einer Remission der Cu wird gesprochen, wenn keine Diarrhoe (nicht mehr als drei Stühle täglich), kein sichtbares Blut im Stuhl sowie keine durch die Cu-bedingten Beschwerden vorliegen.[3]
Die Diagnose Colitis ulcerosa kann nur durch eine Darmspiegelung (Koloskopie) mit Probeentnahmen (Biopsie) und anschliessender feingeweblicher (histologischer) Untersuchung gestellt werden. Differenzialdiagnostisch sind Erkrankungen mit ähnlichen endoskopischen Befunden abzugrenzen, insbesondere der Morbus Crohn, weiterhin eine infektiös oder medikamentös bedingte Kolitis, eine pseudomembranöse Kolitis, eine ischämische Kolitis oder eine Divertikelkolitis.
Endoskopische Befunde bei Colitis ulzerosa: |
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Floride Colitis ulcerosa
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Narbenstadium einer Colitis ulcerosa
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Erhöhtes CRP, erhöhte Blutsenkung und Leukozytose werden als Zeichen der Entzündung vorgefunden, eventuell eine Anämie als Folge der Blutung. In 60 % der Fälle findet man antineutrophile cytoplasmatische Antikörper, dabei perinukleäres Fluoreszenzmuster (p-ANCA).
Nach längerer Erkrankungszeit und ausgedehntem Krankheitsverlauf (810 Jahre bei Befall des gesamten Kolon, 1215 Jahre nach linksseitiger Kolitis) besteht ein erhöhtes Risiko für eine bösartige (maligne) Entartung. Neben der Dauer der Erkrankung stellt die Ausdehnung der Colitis ulcerosa einen eindeutigen Risikofaktor für die Entstehung eines Dickdarmkrebses (kolorektalen Karzinoms) dar, einen so genannten Vorkrebs (Präkanzerose).
Bei regelmässigen koloskopischen Kontrollen mit Stufenbiopsien ist das Kolitis-Karzinom selten (2,1 % nach einer Erkrankungsdauer von zehn Jahren, bei 8,5 % nach 20 Jahren und bei 17,8 % nach 30 Jahren) Es sollte daher eine jährliche Koloskopie mit Stufenbiopsien bei Patienten mit (sub-)totaler Colitis ulcerosa, die mehr als acht Jahre besteht, oder linksseitiger Colitis, die mehr als 15 Jahre besteht, durchgeführt werden.
Grundsätzlich sollte nach den vorhandenen Leitlinien behandelt werden. Medikamente, die normalerweise bei der Behandlung von Colitis ulcerosa verwendet werden, werden entweder oral oder rektal verabreicht, um die Entzündung zu vermindern. In besonders schweren Fällen, wenn der Darm die Wirkstoffe nicht oder nicht ausreichend resorbieren kann, können die meisten schnell wirkenden Medikamente intravenös gegeben werden.
Zur Behandlung der Colitis ulcerosa steht wie zur Behandlung des Morbus Crohn eine Reihe von Medikamenten zur Verfügung, die jedoch vor allem bei längerer Anwendung mitunter starke oder zumindest unangenehme Nebenwirkungen haben können.
Gemäss den aktuellen Leitlinien[4] zur Behandlung von Colitis ulcerosa wird Mesalazin oder ein anderes 5-ASA-Präparat zur Dauerbehandlung empfohlen, da es gleichzeitig zur Entzündungshemmung auch das Darmkrebs-Risiko verringert. Mesalazin gilt als recht nebenwirkungsarm. Bei Mesalazinunverträglichkeit weicht man meist auf Sulfasalazin aus. Wenn das 5-ASA nicht ausreicht, wird zunächst Cortison örtlich (rektal als Einlauf oder Schaum) oder systemisch (oral oder intravenös) für kurze Zeit eingesetzt. Ist die Erkrankung auf den Enddarm und das Colon sigmoideum begrenzt, bringt Budesonid-Schaum gegenüber anderen Cortisonpräparaten den Vorteil, dass es nur örtlich und kaum im übrigen Organismus wirkt: Es wird bei der ersten Leberpassage abgebaut. Auch Mesalazin kann rektal verabreicht werden (Zäpfchen, Einläufe oder als Schaum).
E-Coli-Nissle-1917-Bakterien: Diese probiotischen Bakterien sind unter dem Namen Mutaflor® in Apotheken erhältlich und haben sich bei der Remissionserhaltung in mehreren Studien als wirksamer Ersatz von 5-ASA-Präparaten erwiesen.[5][6] Mutaflor wird bei Mesalazinunverträglichkeit von den Krankenkassen übernommen. Das Präparat muss ständig, auch beim Transport, gekühlt werden und ist nur einige Monate haltbar.
Ist eine längerfristige Immunsuppression sinnvoll, sollte zunächst Azathioprin eingesetzt werden. Bei Unverträglichkeit kann auf 6-Mercaptopurin ausgewichen werden. Des Weiteren stehen einem sachkundigen Arzt weitere Reservemedikamente zur Therapie zur Verfügung. Diese kommen bei Patienten in Betracht, welche auf Cortison nicht oder nicht ausreichend ansprechen und bei denen Azathioprin keine Wirkung zeigt sowie in schwer verlaufenden Fällen oder auch begleitend zu Therapiebeginn mit Azathioprin:
Methotrexat (MTX), Ciclosporin (Sandimmun®) und Tacrolimus (Prograf®)
Studien (ACT 1 und ACT 2) haben auch eine Wirksamkeit des TNF-alpha-Blockers Infliximab (Remicade®) bei Colitis ulcerosa nachgewiesen. Dieses Medikament wird auch klinisch bei Colitis ulcerosa eingesetzt. Die medikamentös nicht heilbare Colitis ulcerosa ist eine Erkrankung, die durch eine totale Dickdarmentfernung Kolektomie geheilt werden kann. Als Faustregel kann Infliximab bei Patienten eingesetzt werden, welche einer Operation gegenüber eher ablehnend eingestellt sind, und wenn Ciclosporin kontraindiziert ist. Infliximab sollte wenn möglich mit einer immunsuppressiven Behandlung (etwa Azathioprin) kombiniert werden. Die Verabreichung ist wie beim Morbus Crohn im Abstand von zwei und vier Wochen, wenn eine Dauertherapie notwendig ist, alle acht Wochen.
Es befinden sich zahlreiche weitere Medikamente in der Zulassung und werden daher derzeit (2008) nur im Rahmen von Studien verwendet, viele zunächst für Morbus Crohn und evtl. später für Cu, etwa Biologika, die verträglicher sein sollen als Infliximab und zum Teil auch einfacher zu verabreichen sind (etwa subkutan und ohne Gewichtsanpassung), ausserdem einige schon länger bekannte Wirkstoffe, deren Wirksamkeit für die Colitis erst erkannt wird: Certolizumab (Cimzia®), Etanercept (Enbrel®), Adalimumab (Humira®, Zulassung für MC Juni 2007), Basiliximab (Simulect®), Daclizumab (Zenapax®), Visilizumab (Nuvion®), Golimumab, Mycophenolat-Mofetil (MMF) (CellCept®), 6-Thioguanin, Heparin, Dehydroepiandrosteron (DHEA).
In der Diskussion als mögliches Medikament befindet sich auch Thalidomid (Contergan®).
Antibiotika finden kaum Verwendung. Lediglich Ciprofloxacin (Ciprobay®) und Metronidazol (Clont®) konnten in bestimmten Fällen in Studien Linderung bringen. Schwerste Schübe werden in Krankenhäusern oft zusätzlich zur bisherigen Medikation mit einer Kombination aus Antibiotika und hochdosiertem Cortison behandelt.
In schwereren Fällen und bei Komplikationen wie dem toxischen Megakolon kann eine Operation nötig werden. Dies bedeutet in der Regel eine vollständige Entfernung des Dickdarms, gefolgt von einer Operation, die ileoanale Pouch-Operation genannt wird. Dabei wird aus dem Dünndarm eine Art künstlicher Enddarm konstruiert, der die Reservoirfunktion des entfernten Mastdarmes übernimmt. Der Dünndarm wird dann an den Darmausgang angeschlossen, so dass die Patienten eine normale Stuhlentleerung haben. In besonders schweren Fällen oder wenn ein künstlicher Darmausgang schon länger vorliegt, wird in einem Zwischenschritt lediglich der Pouch angelegt, um ihn nach der zweiten schweren OP erst einmal zur Ruhe kommen zu lassen. Bei vorhersehbarer Stuhlinkontinenz wird mit einer Art Trichter im Zwei- bis Dreitage-Rhythmus Spülungen des Pouches (in Anbetracht des Haltens der Flüssigkeit) vorgenommen, um damit den Schliessmuskel zu trainieren. Dieses Training wird nach dem Krankenhausaufenthalt selbstständig fortgeführt und erfordert einige Disziplin und am Anfang auch Überwindung. In der darauf folgenden (relativ harmlosen OP) werden dann beide Enden (Ileostoma und Pouch-Zugang) miteinander verbunden. Die Operationen können zwar erhebliche Nebenwirkungen haben (etwa Inkontinenz nachts), jedoch eine tatsächliche Heilung der Erkrankung ermöglichen.
Im Schub, sowie auch in Remission als Wechselwirkung mit Medikamenten, kann es zu Mangelerscheinungen kommen. Auch wenn die Entzündung bei Colitis ulcerosa immer auf den Dickdarm beschränkt ist, werden bei starken Durchfällen viele Nährstoffe nicht im Dünndarm resorbiert. Mängel können daher im Schub ausgeprägt sein.
Kalium/Natrium: Aufgrund starker (besonders wässeriger) Durchfälle werden die Salze schnell ausgeschieden. Meist reicht entsprechend natriumreiche (kochsalzhaltige) oder kaliumreiche (etwa Bananen) Ernährung aus.
Wasser: Wegen der erhöhten Stuhlfrequenzen (mit wässerigem Durchfall) kann es zur Austrocknung Dehydration kommen.
Eisen: Durch den ständigen Blutverlust kann Eisenmangel eintreten. Deshalb wird der Eisenhaushalt regelmässig kontrolliert und bei Bedarf werden Eisenpräparate verordnet. Eisenpräparate werden allerdings teilweise schlecht vertragen, da sie die Darmschleimhaut reizen. Auch intravenöse Eisenzufuhr ist möglich.
Calcium: Veränderungen der Knochendichte treten häufig als Folge der Stoffwechselstörung hervorgerufen durch die Cortisontherapie auf. Bei längerer Cortisontherapie sollte daher begleitend jährlich die Knochendichte gemessen werden (Osteodensitometrie). Im Rahmen einer längerfristigen, systemischen Steroidmedikation muss eine Substitution mit Calcium und Vitamin D erfolgen. Am geeignetsten sind Calcium/Vitamin-D-Kombipräparate.
Folsäure: Durch Sulfasalazin kann die Folsäureresorption gestört werden.
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