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Krankheiten: Morbus Menière |
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Klassifikation nach ICD-10 | |
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H81.0 | Menière-Krankheit |
ICD-10 online (WHO-Version 2006) |
Bei der Menière-Krankheit (Morbus Menière) handelt es sich um eine Erkrankung des Innenohres, die gekennzeichnet ist durch Anfälle von Drehschwindel, einseitigem Hörverlust und Ohrensausen (Tinnitus). Treten diese drei Symptome gemeinsam auf, spricht man von der Menière'schen Trias. Die Ursache des Morbus Menière ist nicht bekannt. Es gibt eine grosse Zahl von Behandlungsmethoden, die den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen können, zum Teil muss aber auch die Wirksamkeit bezweifelt werden.
Die Erkrankung tritt meist zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auf und betrifft Männer häufiger als Frauen.
Der Name geht auf den französischen Arzt Prosper Menière (Paris, 17991862) zurück.
Menière-Anfälle treten schubweise auf und wiederholen sich in der Regel in unterschiedlichen Abständen. Zwischen den einzelnen Anfällen können auch mehrere Jahre lange Intervalle liegen. Es ist auch möglich, dass nur ein oder zwei Anfälle im Leben eines Patienten auftreten. Nicht selten beginnt die Krankheit ohne komplette Menière'sche Trias, d.h. es treten nur Hörverlust und Tinnitus oder Schwindel allein auf, ein klassischer Menierè'scher Anfall tritt erst später auf. In diesen Fällen kann allenfalls der Verdacht auf eine sogenannte "monosymptomatische Menière'sche Erkrankung" geäussert werden, z. B. bei rezidivierenden Hörstürzen. Erst wenn dann ein klassischer Menière-Anfall auftritt, kann die Diagnose als gesichert gelten.
Typisch für einen Menière-Anfall ist heftiger Drehschwindel mit Übelkeit und Erbrechen. Der Drehschwindel hält minuten- bis stundenlang an und kann so stark sein, dass der Patient nicht mehr stehen kann. Der Schwindel wird bei Bewegung schlimmer, ist aber auch in Ruhe vorhanden. Die Patienten bemühen sich daher, den Kopf völlig ruhig zu halten.
Zwischen den Anfällen werden keine Gleichgewichtsstörungen empfunden. Viel längere oder viel kürzere Schwindelzeiten sprechen für andere Erkrankungen als Morbus Menière (etwa Lagerungsschwindel, mangelnde Blutversorgung des Innenohres, Entzündungen).
Im Anfall verschlechtert sich das Hörvermögen des erkrankten Ohres, verbunden mit einem Ohrgeräusch (Tinnitus) und Druckgefühl. Hörstörung und Tinnitus können nach den ersten Anfällen wieder verschwinden, bei häufigeren Anfällen bleiben die Schwerhörigkeit und meist auch der Tinnitus bestehen. Eine Hörminderung kann dem Vollbild des Morbus Menière Jahre vorausgehen. Der Hörverlust betrifft beim Morbus Menière meist besonders den Tieftonbereich, auffallend oft wird auch über ein verzerrtes Hören geklagt. Das Ausmass der Hörstörung steht in keinem Zusammenhang mit Schwere und Häufigkeit der Anfälle.
Kommt es während einer Menière-Attacke zu einer Verbesserung einer vorbestehenden Hörminderung, spricht man vom (seltenen) Lermoyez-Syndrom. Ob es sich dabei um eine Sonderform der Menière'schen Erkrankung oder um eine eigenständige Erkrankung handelt, ist nach wie vor ungeklärt.
Gleichzeitig mit der Hörverschlechterung tritt ein Tinnitus auf oder verstärkt sich. Beim Morbus Menière ist der Tinnitus häufig niederfrequent. Die Beeinträchtigung durch den Tinnitus ist beim Morbus Menière häufig nur mittelmässig stark oder gering ausgeprägt.
Nicht selten tritt schon kurz vor dem Anfall ein Druckgefühl im Ohr und eine Verstärkung des Tinnitus auf, wodurch sich der Anfall für den Patienten ankündigt.
Als Ursache für diese Erkrankung wird ein endolymphatischer Hydrops vermutet. Die genaue Ursache dieses Endolymphstaus ist nicht geklärt. Einige Studien gehen davon aus, dass ein Endolymphstau mehrere Ursachen haben kann. Ein chronischer bzw. rezidivierender Endolymphstau hat aber dagegen wahrscheinlich eine einzelne, spezifische Ursache. Somit führt nicht jeder Hydrops cochleae automatisch zu einer Morbus-Menière-Erkrankung, die sich von den ersten Anzeichen von Drehschwindel und Höreinschränkungen bis zur Vollausbildung in durchschnittlich einem Jahr einwickelt. Umgekehrt ist aber anzunehmen, dass jede Morbus-Menière-Erkrankung mit einer Endolymphschwankung einhergeht. [1]
Ein zu hoher Druck auf die Reissner-Membran führt zum Einreissen oder einer erhöhten Durchlässigkeit des Endolymphschlauches. Dadurch kann sich die kaliumreiche Endolymphe mit der natriumreichen Perilymphe mischen. Die Trennung der Ionen ist jedoch für die elektrischen Prozesse auf Zell-/Nervenebene im Innenohr wichtig, da sie eine elektrische Potentialdifferenz aufrechterhält. Durch die Mischung beider Flüssigkeiten kommt es daher zu einer falschen Signalübertragung ins Gehirn. Wahrgenommen wird dies vom Patienten als lang anhaltender Drehschwindel. Durch Selbstheilungskräfte wird die Reissner-Membran wieder verschlossen und die Potentialdifferenz wiederhergestellt. Durch die Vernarbungen der Reissner-Membran durch diese Anfälle wird das Hörvermögen der Betroffenen immer schlechter, was mit der Zeit zu einer völligen Ertaubung führen kann. [2]
Die Diagnose des Morbus Menière stellt ein Facharzt für Allgemeinmedizin, für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde oder für Neurologie. Die Untersuchungen dienen im wesentlichen dazu, andere Erkrankungen beispielsweise des Mittelohres (Mittelohrentzündung), des Innenohres (Hörsturz, Tinnitus, gutartiger Lagerungsschwindel), des Hörnervs (Akustikusneurinom), des Gleichgewichtsnerven (Neuritis vestibularis), des Gehirns und einer vestibulären (basilären) Migräne auszuschliessen. Die Diagnose ist somit eine Ausschlussdiagnose, da sie nicht direkt nachgewiesen werden kann. Daher sollte die Diagnose nicht zu früh gestellt werden, was in Vergangenheit oft erfolgte.
Ein besonders wichtiger Teil der Diagnose ist die umfassende Befragung des Patienten (Anamnese). Typischerweise berichten Patienten beim Morbus Menière über einen plötzlich einsetzenden starken Drehschwindel, Hörverlust und Ohrgeräusche. Diese Menière'sche Trias ist nicht immer so typisch anzutreffen.
Die Gleichgewichtsprüfungen dienen dazu herauszufinden, ob eine Beeinträchtigung des Gleichgewichtsorgans vorliegt.
Während der Untersuchung liegt der Patient auf einer Liege. Damit über die Augen keine Orientierung im Raum möglich ist, sollten sie geschlossen sein. Häufig beobachtet der Arzt jedoch die Augenbewegungen mit Hilfe der Frenzelbrille, einer Brille mit 15 dpt, die eine Orientierung im Raum ebenfalls unmöglich macht, aber dem Arzt die Möglichkeit gibt, die Augenbewegungen zu beobachten.
Ist die Substanz über die Magenschleimhaut ins Blut gelangt, besteht ein Konzentrationsgefälle der Bestandteile zwischen Blut und Endolymphe. Um das Konzentrationsgefälle auszugleichen könnten nun einerseits die Bestandteile in die Endolymphe diffundieren oder umgekehrt Flüssigkeit der Endolymphe diffundiert ins Blut. Das letztere geschieht beim Morbus Menière. Wenn ein anschliessendes Tonschwellenaudiogramm mindestens in drei benachbarten Frequenzen eine Verbesserung von 1015 dB aufweist, gilt ein endolymphatisches Geschehen als nachgewiesen.
Der Morbus Menière an sich ist nicht heilbar, jedoch sind viele Auswirkungen ausgleichbar oder günstig beeinflussbar.
Im Akutfall helfen oft Medikamente mit Dimenhydrinat (Vomex) zur Behandlung der Übelkeit. Zur dauerhaften Therapie des erhöhten Endolymphdrucks ist Betahistin aktuell das von den Fachgesellschaften empfohlene Therapeutikum [3], wobei positive Wirkungsstudien auf Grund von systematischen Fehlern in Frage gestellt werden [4]. In den ersten Wochen der Medikamenteneinnahme kann es zu einem leichten Durchfall oder eine erhöhten Empfindlichkeit der Haut für Sonnenstrahlen kommen. Bei schweren und häufigen Attacken (>2 im Vierteljahr) empfehlen Ärzte mitunter einen Therapieversuch mit einem niedrigdosierten Schleifendiuretikum (z.B. Furosemid).[5] Auch hier ist die unbewiesene Wirkung zu betonen.[6]
Durchblutungsfördernde Massnahmen in Form von Medikamenten oder der Druckluftkammer werden zwar häufig bei Innenohrbeschwerden wie Hörsturz oder Tinnitus verabreicht, haben aber bei einer gesicherten Diagnose des Morbus Menière keinen Sinn. Auch andere stark umworbene Verfahren wie die Low-Level-Laser-Therapie, bei der das Aussenohr mit einem Rotlichtlaser bestrahlt wird, sind mehr als fragwürdig, da das Laserlicht dem eine positive Wirkung auf die Sinneszellen im Innenohr zugeschrieben wird physikalisch dorthin nicht gelangt.
Bei sehr häufigem Schwindel kann ein Eingriff am endolymphatischen Sack (Sakkotomie) vorgenommen werden. Bei dieser Operation wird der Schädelknochen um den Sacculus weggebohrt. Der Eingriff hat zum Ziel, dass der Sacculus sich besser ausdehnen und damit die Endolymphe besser abfliessen kann. Häufig nehmen die Schwindelattacken in ihrer Zahl ab. Dieser Eingriff ist nicht immer und nicht immer auf Dauer erfolgreich (etwa 5060 % der Patienten berichten über eine Besserung der Schwindelattacken). Dass diese Zahlen mehr als ein Placeboeffekt sind, konnte bisher nicht nachgewiesen werden [7]
Eine weitere Möglichkeit, den Schwindel auszuschalten, besteht in der teilweisen oder ganzen Ausschaltung des Gleichgewichtsorgans mit Gentamicin. Mit der Behandlung sollen jahrelang andauernde Schwindelattacken des Patienten vermieden werden. Der Ausfall des Gleichgewichtsorgans und ein teilweiser Verlust des Gehörs bei dieser Behandlung wird in Kauf genommen, da er ohnehin zum typischen Bild des Morbus Menière gehört. Ein nur einseitiger Gleichgewichtsausfall ist in der Regel kompensierbar. Dieses Mittel ist eine ultima ratio und darf nur bei sehr schweren Beeinträchtigungen angewendet werden und auch nur dann, wenn sicher feststeht, dass das Gleichgewichtsorgan (und nicht etwa Störungen im Gehirn) für den Schwindel verantwortlich sind.
Ein neues Behandlungsverfahren ist die Labyrinthanästhesie. Dabei wird ein Betäubungsmittel durch einen kleinen Schnitt im Trommelfell ins Mittelohr eingebracht. Von dort diffundiert die Betäubung ins Gleichgewichtsorgan und beruhigt dort das Gleichgewicht und betäubt dieses. Die Schwindelanfälle lassen sich dadurch reduzieren oder sogar für Jahre ausschalten. Die Methode kann wiederholt werden, Untersuchungen zeigten hinsichtlich der möglichen Gefahr von Hörschäden unterschiedliche Ergebnisse [8][9].
Eine letzte Behandlungsmöglichkeit besteht in der operativen Durchtrennung des Nervus acusticus (Hörnerv) unter Verlust der Hörfähigkeit des Ohres. Bestimmte Bewegungen müssen danach neu gelernt werden.
Bei allen operativen (Sakkotomie, Durchtrennung des VIII. Hirnnerven) und nicht-operativen (Gentamicingabe, Labyrinthanästhesie) Eingriffen am Innenohr ist dringend zu berücksichtigen, dass die Erkrankung im Verlauf beide Gleichgewichtsorgane betreffen kann. Eine vorschnelle Ausschaltung einer Seite kann also langfristig zum kompletten Verlust des Gleichgewichtssinns oder Hörvermögens führen.
Für die Behandlung zwischen den Anfällen stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Diese richten sich eher darauf, den Mensch als Ganzes zu stärken, denn gegen die Erkrankung (Entspannungstechniken, Psychotherapie, Gleichgewichtsprüfungen). Jede Art von sportlicher Aktivität ist zu empfehlen, da hierüber wieder Vertrauen nach einer Drehschwindelattacke in das eigene Gleichgewichtssystem zurückgewonnen werden kann.
Allgemein empfohlen werden: salzarme Diät, Vermeidung von Lärm (Gehörschutz), von Alkohol, Nikotin und negativem Stress.
Prosper Menière selbst schrieb sich nur mit einem Accent grave auf dem zweiten e, wovon mehrere handgeschriebene Briefe mit seiner Unterschrift zeugen.[10][11][12] In der Literatur finden sich häufig andere Schreibweisen (Ménière, Menier), die teilweise von dem irritierenden Schriftzug auf der Grabkapelle der Familie Menière auf dem Friedhof Montparnasse in Paris herrühren.
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